Denkfehler

Nehmen Sie Ihren Hund auf den Arm?

 

Obwohl Begegnungen mit anderen Hunden meist problemlos verlaufen, schwingt auch immer wieder ein Gefühl von Unsicherheit mit. Wenn das nur gut geht, mag manchem verunsicherten Hundehalter in solchen Fällen durch den Kopf schiessen. Besitzer von kleinen Rassen oder Welpen „retten“ die Situation oft auch, indem sie den Hund hochheben. Was durchaus verständlich und in bestimmten Situationen sinnvoll ist, kann aber auch Lernsituationen verunmöglichen und Unsicherheit vermitteln.

Eine Familie mit drei Kindern ist auf dem Sonntagsspaziergang. Seit zwei Wochen neu mit dabei ist Benno, ein 15 Wochen alter Hovawart. Als der Vater einen Spaziergänger mit Hund nahen sieht, entsteht Unruhe. Der Welpe wird rasch möglichst eingefangen und auf den Arm genommen. Unsichere Blicke, ohne Kommentar. Eine ältere Dame verlässt mit ihrem halbjährigen Cockerspaniel den Wald und lässt ihren Hund frei. Als sie einen Passanten mit Hund erblickt, wird ihr Hund angeleint und auf den Arm genommen. Der Passant nimmt seinen Hund bei Fuss, passiert die stehen gebliebene Dame, die einen Gruss nicht erwidert und stattdessen erklärt: „Er sei halt schon einmal gebissen worden!“ Ein Mann Mitte fünfzig erkundigt sich rufend: „Ist es ein Rüde?“ Als die Befürchtung bestätigt wird, nimmt er seinen Dackelmischling auf den Arm. Diese Szene wiederholt sich regelmässig, gleicher Ort, gleiche Zeit. Wenn Herrchen manchmal etwas langsam ist, findet ab und zu auch ein direkter Kontakt mit dem Rüden statt. Gegenseitiges Beschnuppern, pinkeln an dieselbe Stelle, wie im richtigen Hundeleben – aber eben nur, falls Herrchen zu langsam ist. Diese drei Schilderungen sind keinenfalls frei erfunden und können in ähnlicher Weise immer wieder beobachtet werden. Dabei steht die Sorge um den eigenen Hund im Vordergrund und lässt mögliche Konsequenzen ausblenden. Denn: Bestimmt dieses Verhalten die innerartlichen Begegnungen, etablieren wir bei unseren Hunden Unsicherheit, Unselbstständigkeit und verhindern aktiv einen tiergerechten Austausch und den Kontakt unter Artgenossen. Eine tiergerechte Haltung wird beeinträchtigt oder gar verunmöglicht – und dies unabhängig von der Grösse und dem Alter des Tieres! Dabei will ich bereits zu Beginn festhalten: Es gibt Situationen, in denen es durchaus Sinn macht, den Hund hochzunehmen und ihn damit zu schützen.

 

Auf den Arm nehmen bedeutet veralbern

Jemanden auf den Arm nehmen bedeutet umgangssprachlich, sich über jemanden lustig machen bzw. jemanden für nicht ganz voll nehmen, jemanden veralbern, nasführen, foppen bzw. verkohlen. Gemäss Duden für „Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten“ (Duden Bd. 11, 1992) wird der Betreffende sozusagen auf den Arm genommen wie ein kleines Kind, mit dem man scherzt und spielt. Nehmen wir unseren Hund auf den Arm, sprechen wir ihm ab, zusammen mit unserer Unterstützung, mit der Situation zurechtzukommen und diese meistern zu können. Durch das Hochheben entziehen wir dem Hund sozusagen das pädagogische Feld, in dem der Hund artgerechtes soziales Verhalten lernen kann. Da solche Situationen meist auch bei den Hundehaltern ein Gefühl der Unsicherheit auslösen, kann kaum verhindert werden, dass die Stimmung auf den Vierbeiner übertragen wird. Indem wir den Hund auf den Arm nehmen, vermitteln wir ihm demnach Folgendes:
• die Situation ist unangenehm bis gefährlich
• ich habe Angst oder bin zumindest unsicher, die Situation ist mir nicht geheuer
• du bist nicht in der Lage, die Situation aus eigenem Antrieb zu meistern, und bist auf meine Hilfe angewiesen
• die Welt ist in Ordnung, solange keine anderen Hunde in der Nähe sind.

Durch das Hochheben verliert der Hund buchstäblich den Boden unter den Füssen, was zusätzlich Unsicherheit hervorrufen kann. Versuchen wir in dieser Situation unseren Hund (oder uns selber) zu beruhigen, indem wir ihn streicheln und mit beruhigender Stimme trösten, verleihen wir der Negativ- Spirale einen zusätzlichen Dreh und schaffen ein Paradebeispiel zum Lernprinzip „Gleichzeitig Erlebtes und Empfundenes verknüpfen sich“.

Das Resultat: Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Hund in einer entsprechenden Situation wieder auf unsere Hilfe angewiesen ist, nimmt massiv zu.

 

Selbstsicherheit ist der beste Schutz

Zugegeben, es ist nicht immer ganz einfach, die Hundebegegnungen vorausschauend richtig zu beurteilen bzw. abzuschätzen. Glücklicherweise sind jedoch dank fachkundig geführter Prägungs- und Welpenspieltage immer mehr Hunde gut sozialisiert, sodass Raufereien, verursacht durch unsichere Hunde und ihre oft ebenso unsicheren Halter, seltener werden. Schliesslich hatten Welpen in den Prägungs- oder Welpenspieltagen Gelegenheit, das Verhalten und die Ausdrucksweise anderer Rassen ausgiebig kennen zu lernen und positiv zu verknüpfen. Weiter konnten sie lernen, wie mit Belastungen, Unsicherheit oder gar Angst umgegangen werden kann. Vereinfacht darf sicher behauptet werden: Treffen zwei unsichere Hunde aufeinander, ist die Gefahr einer Rauferei grösser, als wenn ein sicherer Hund auf einen unsicheren trifft. Dabei spielt der Grössenunterschied eine untergeordnete Rolle. Einen guten Schutz geben wir unserem jungen Hund demnach bereits mit, wenn wir mit ihm entsprechende Angebote besuchen und von Beginn weg einen sicheren Bindungsaufbau fördern. Dazu gehört, wie im letzten Abschnitt bereits beschrieben, dass wir unseren Hunden die Bewältigung von unangenehmen Situationen zutrauen und erleben lassen.

 

Lernen Situationen einzuschätzen

Leider gibt es trotz den unzähligen Angeboten weiterhin sehr unsichere Hunde, die durch ihr Dominanzstreben die eigene Unsicherheit überspielen. Oft kommen diese breitspurig, mit hoch getragener Rute dahergelaufen, das Nackenfell gestellt. Manchmal wird dieses Imponiergehabe noch mit Bellen oder Knurren unterstützt. Dabei reagieren diese Hunde kaum auf Unterwerfsignale des Gegenübers. Remplereien und ein Überschiessen von kleinen Hunden und Welpen sind dann oft die Folgen. Bei einer solchen Begegnung ist für keinen der beteiligten Hunde eine positive Lernerfahrung zu machen, weshalb Begegnungen dieser Art möglichst verhindert werden sollten. Dabei ist der entsprechende Hundehalter in die Verantwortung zu nehmen, indem er angehalten wird, seinen Hund anzuleinen. Als letzte Möglichkeit können Welpen oder kleine Hunde immer noch getragen werden. Solche Begegnungen und entsprechende Massnahmen dürfen jedoch nicht zur Regel werden! Vor allem während der Prägungszeit ist darauf zu achten, dass gelungene Begegnungen mit erwachsenen bzw. grösseren Hunden die Regel sind. Gerade auch für Hunde kleiner Rassen sind positive erste Erfahrungen wichtig, da sie betreffend Gewicht und Grösse auch später unterliegen werden. Ein souveränes Auftreten hilft dem Bluff von Dominanzstrebern entgegenzutreten.

 

Belastung abschätzen und zumuten

Wie stark der eigene Hund durch eine solche Begegnung belastet ist, lässt sich an seinen Konfliktsignalen bzw. Erregungszuständen, wie Nackenfell stellen, salvenartiges Züngeln, Schütteln, Bellen oder eine sich ständig wiederholende Taxierstellung erkennen. Halten diese Signale über längere Zeit an, benötigt der Hund Unterstützung, indem etwa ein Situationswechsel herbeigeführt wird. Oft reicht es bereits, die Richtung oder auch die Gangart zu wechseln oder dem Hund ein Spiel anzubieten. Kontraproduktiv hingegen wirken sich die eigene Unsicherheit, „Schreien“ bzw. ein versteinertes Stehen bleiben etc. aus, da damit die Situation zusätzlich an Spannung gewinnt. Wer in solchen Situationen das Verhalten und die Belastung seines Hundes richtig einschätzen kann, reagiert gelassener und erkennt rechtzeitig, wann der Hund Unterstützung benötigt. So ist es nicht nur äusserst spannend, sich immer wieder von neuem mit dem Verhalten des eigenen Hundes auseinander zu setzen, indem wir uns Zeit nehmen, ihn genau zu beobachten, sondern die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind auch die Grundlage dafür, Situationen besser abzuschätzen und unseren Hund erst dann zu unterstützen, wenn er auf sich alleine gestellt überfordert wäre. Wer sich mit den Grundzügen der Verhaltensbiologie vertraut macht, braucht seinen Hund nicht ständig auf den Arm zu nehmen!


Fazit
• Eine sichere Bindung ist der beste Schutzvor Raufereien
• Den Hund ständig auf den Arm nehmen, bedeutet ihn nicht ernst zu nehmen
• Hochgenommen werden bedeutet auch den Boden zu verlieren und ruft Unsicherheit hervor
• Welpen sollten die Möglichkeit haben, erwachsene, gut sozialisierte Hunde kennen zu lernen (ausserhalb von Welpenspielstunden)
• Ermöglichen Sie kleinen Hunden immer wieder das Spiel mit anderen, auch grösseren Hunden
• Auch kleine Hunde haben das Bedürfnis mit Artgenossen zu kommunizieren und zu spielen.

"Angstbewältigung mit Hilfe aus der Steckdose. Zu Risiken und Neben-wirkungen lesen Sie diesen Artikel."

 

Angst, Stress, Kummer: einfach „wegnebeln“!
Viele Situationen vermitteln Ihrem Hund ein Gefühl der Unsicherheit. Er reagiert beispielsweise mit Stress, Angst oder Kummer:
• Nach der Trennung von der Mutter
• Als Neuankömmling bei einem neuen Besitzer
• Bei Wohnungswechsel (Umzug, Urlaub, Tierpension etc.)
• Bei unterschiedlichen äusseren Einflüssen, wie Besuch, alleine sein, Feuerwerk usw. Mit diesem Text wirbt die Firma CEVA Tiergesundheit GmbH aus Düsseldorf für D.A.P.® (Dog Appeasing Pheromon), das „erste Beruhigungs-Pheromon für Hunde“. Das Pheromon, ein Geruchsbotenstoff, wird über einen Zerstäuber für die Steckdose, in Räumen von bis zu 70 m² eingesetzt und soll innerhalb von 2 – 3 Monaten Stress und Verängstigung verbannen. Typische Anzeichen, wie:
• eine geduckte Haltung oder Verkriechen, Zittern
• stressbedingte verminderte Aktivität und Spielfreude
• stressbedingte verminderte Futteraufnahme
• zerstörerisches Verhalten, anhaltendes Jaulen oder Bellen
• exzessives Belecken der Pfoten o. Ä.
sollten schon nach wenigen Tagen deutlich abnehmen; bis zum Verschwinden der Anzeichen können jedoch zwei bis drei Monate vergehen, so die Informationsschrift bzw. die Heilsversprechungen von CEVA.

 

Gefühle sind Teil des Lebens
Bereits von Geburt an wird der Welpe von Gefühlen begleitet. Diese sagen ihm, was wichtig ist, und veranlassen ihn zum aktiven Tun. Verspürt er z. B. Hunger und fühlt sich dadurch unwohl, muss er durch Eigenaktivität etwas an seiner Situation ändern. Gelingt es ihm so die mütterliche Zitze zu erreichen – und dies kann für den Kleinen ja ganz schön anstrengend sein –, wird er belohnt, indem das Hungergefühl gestillt wird und sich Wohlbehagen einstellt. Verspürt derselbe Welpe nach einiger Zeit wieder Unbehagen, wird es bereits viel schneller gehen, bis er die Zitze gefunden hat und belohnt wird: Der Welpe hat am Erfolg gelernt. Gefühle lösen Handlungen aus und sind stete Begleiter von Lernprozessen. Mit der erweiterten aktiven Wahrnehmung der Umwelt geht die Wesensentwicklung einher. Unsicherheit und Angst sind natürliche und wichtige Gefühlszustände, die es dem Hund erlauben, sich schrittweise und dosiert mit seiner Umwelt auseinander zu setzen. Durch dieses eigenaktive Tun lernt er seine Umwelt kennen und beurteilen. Wer oder was tut mir gut, wovor oder vor wem muss ich mich in Acht nehmen? Die „Antworten“ werden das künftige Verhalten weitgehend lenken. Es liegt in der Verantwortung des Hundebesitzers, seinen Vierbeiner von Beginn an zu unterstützen und über Präsenz, geschicktes Lenken und sichere Bindung den nötigen Halt zu vermitteln, damit dieser möglichst viele positive und konsequente Antworten erhält und lernen kann, Angst und Unsicherheit in Sicherheit zu wandeln.

 

Mit Angst und Unsicherheit umgehen lernen
Natürlich dürfen wir den Hund und vor allem den Welpen nicht einfach mit seiner Angst alleine lassen. Wollen wir z. B. einen Hund längere Zeit zu Hause lassen, muss dies sorgfältig aufgebaut werden, da alleine sein für ein Rudeltier ein artwidriger Zustand ist und in freier Natur gerade bei Welpen den sicheren Tod bedeuten würde. Alleine sein löst buchstäblich Todesangst aus. Durch schrittweisen Aufbau kann der Welpe sich jedoch daran gewöhnen, indem er lernt, mit seiner Angst umzugehen. Macht er auf diese Weise aktiv die Erfahrung, dass Herrchen ja immer wieder zurückkommt (positive „Antwort“), wird er durch sein Fortgehen nicht mehr verunsichert. Dieser schrittweise Aufbau erfordert unsere Präsenz, mehrere Wochen Zeit und setzt eine sichere Bindung voraus. Nebenbei: Mehr als vier Stunden täglich sollte ein Hund jedoch nie regelmässig alleine gelassen werden! Dasselbe gilt für jegliche Auseinandersetzungen mit Umwelteinflüssen, die für den Welpen neu sind und bei ihm vorerst ein Gefühl der Angst bzw. Unsicherheit auslösen. Mit zunehmender Selbstsicherheit wird der Welpe selber Strategien entwickeln, wie er mit belastenden Situationen umgehen kann. Wie wichtig dafür die Prägungszeit und die sensible Phase des Junghundes sind, sollte hinlänglich bekannt sein. Beim erwachsenen Hund können verpasste oder aktiv verhinderte Lernchancen nun nicht einfach ohne weiteres nachgeholt werden, da die Gründe für das Fehlverhalten meist in der Prägungszeit wurzeln. Hier können höchstens aufwändige Therapien weiterhelfen; jedoch ohne Erfolgsgarantie. Mangelnde Fürsorge, Bindung und gemeinsame Erlebnisse, d. h. gemeinsames aktives Erkunden der Umwelt, kann nicht mittels Symptom-bekämpfung, sprich dem Einsatz eines Beruhigungs-Pheromons kompensiert werden. Indem wir die unangenehmen Gefühle des Hundes einnebeln, sind zwar Hundebesitzer und vielleicht auch der Hund beruhigt. Gleichzeitig rauben wir dem Hund jedoch wichtige Lernchancen und behindern ihn aktiv bei seiner Wesensentwicklung. Lernen kann so nicht stattfinden und der Hund wird so auf seine Biomasse reduziert! Bewältigbarer Stress führt über eine selbstbelohnende Eigenaktivität zu mehr Selbstsicherheit und emotionaler Stabilität, der nicht bewältigbare Stress führt zu einer Überforderung! Je nach Anfangsbedingungen nehmen die Stressreaktionen ihren Verlauf und führen zu einer Herausforderung (bewältigbarer Stress) oder zu einer Belastung (nicht bewältigbarer Stress). Unser Ziel muss es nun sein, die Anfangsbedingungen so zu gestalten, dass der Hund die Situation selber bewältigen kann, was wiederum das Lernen am Erfolg ermöglicht. Was hier in ein paar Zeilen einfach beschrieben ist, kann in der Praxis viel Kopfzerbrechen bereiten. Auch liegt es nicht immer in unserer Hand, solche Situationen zu beeinflussen. Je nach Vorgeschichte unseres Welpen oder erwachsenen Hundes ist es bei Verhaltensauffälligkeiten gar nicht so einfach, für das Tier bewältigbare Situationen zu schaffen. Da wir hier oft im therapeutischen Bereich agieren, kann der Rat eines therapeutisch geschulten (geschult heisst hier mit verhaltensbiologischen Kenntnissen vertraut) Trainers oder entsprechend ausgebildeten Tierarztes hilfreich sein.

 

Benebelte Prägungszeit kann Sie teuer zu stehen kommen
Wird der Zerstäuber gar während der Prägungszeit (bis ca. 16. Woche) eingesetzt, ist die aktive Behinderung der Wesensentwicklung natürlich am gravierendsten. Da der Welpe nicht lernen kann, Unsicherheit in Sicherheit zu wandeln, wird er womöglich (eine Wirkung des Präparates angenommen) nie ohne auskommen. Das nennt man Kundenbindung! Nebenbei: Ein Zerstäuber  kostet beim Tierarzt ca. CHF 43.–. Mit Tierarzneimittel lässt sich Geld verdienen. Ob immer zum Wohle des Tieres bleibt im Falle von D.A.P.® höchst fraglich.

 

Fazit
• Angst und Unsicherheit gehören zum Leben. Die Gefühle „einzunebeln“ bedeutet, das Leben im Nebel fristen zu müssen.
• Mangel an Angst ist Mangel an Wahrnehmung (C. F. von Weizsäcker).
• Gefühle, auch unangenehme, fordern Lernlebewesen heraus und provozieren eine aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt, was wiederum die Voraussetzung fürs Lernen darstellt.
• Ihr Hund benötigt kein Beruhigungs-Pheromon, um Stress, Angst und Kummer zu bewältigen. Vielmehr benötigt er Sie!
• Wie weit D.A.P.® Hunde beruhigt, ist wissenschaftlich nicht bewiesen, wieweit es die Anwender beruhigt, müssen diese selber entscheiden.
• Wenn Sie an die Gleichung „D.A.P.® = Effektivität + Praktikabilität“ (vgl. www.ceva.de) glauben, kaufen Sie sich besser einen Stoffhund.
• Unterstützen Sie Ihren Hund und nicht die Pharma-Industrie

"Vom Unsinn ständig wiederholter Hörzeichen"

(Robert Züllig, Schweiz)

Sprache ist mehr als eine Abfolge von einzelnen Worten
Nach zirka 63 Tagen Trächtigkeit wirft die Hündin die Welpen. Während den ersten ca. dreizehn Lebenstagen sind diese Welpen noch blind und weitgehend taub. Sie beginnen erst danach ihre Umwelt akustisch und visuell wahrzunehmen und einzuordnen. Unsere gesprochenen Worte ergeben für die Welpen semantisch gesehen keinen Sinn, d. h. sie werden die Bedeutung der sprachlichen Zeichen nicht verstehen. Bedeutet dies, wir sollen gar nicht mit unserem Welpen bzw. Hund sprechen? Sicher nicht, denn es ist die Sprache, die mit ihrem spezifischen Rhythmus und Klang dem Welpen erste Erfahrungen des gemeinsamen Erlebens ermöglicht und damit eine Beziehung zwischen Mensch und Hund entstehen lässt. Denken wir daran, dass die Prägung auf den Menschen und die Festlegung der Bindungsfähigkeit in die ersten ca. 2-12 Wochen fällt. So darf die Bedeutung des gemeinsamen Kommunizierens und Empfindens nicht unterschätzt werden. Bald erfolgt die Kommunikation zwischen Hund und Mensch viel zielgerichteter. Der Hund soll auf unser Hörzeichen ein ganz bestimmtes Verhalten folgen lassen, wie etwa zu uns kommen, ruhig sein oder etwas aus dem Fang hergeben. Wenden wir die lern- und verhaltensbiologischen Grundlagen bewusst an, können sich unsere Hunde als wahre Meister des Lernens beweisen und ein erstaunlich grosses Repertoire an Hörzeichen aufbauen. Blindenhunde beispielsweise müssen gegen 40 Hörzeichen unterscheiden. Über einen noch grösseren Wortschatz verfügt Rico, ein Border Collie, der etwa 200 Gegenstände entsprechend ihrem Namen korrekt apportieren kann. Wie Untersuchungen am Max- Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie zeigten, ist Rico auch in der Lage, nach dem Ausschluss-Prinzip neue Gegenstände dazuzulernen. Wie weit er abstrakte Wörter oder auch kurze Sätze lernen und verstehen kann, wird in weiteren Untersuchungen erforscht.

 

Der Aufbau von Hörzeichen
Die heutige Zivilisation bietet dem Hund eine sehr anspruchsvolle und zum Teil sehr unnatürliche Umwelt. Nur mit unserer Hilfe kann er sich darin entfalten, ohne zur Belastung oder gar Gefahr zu werden. Als Hundebesitzer müssen wir deshalb unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Tier wahrnehmen, was unter anderem bedeutet, dass wir die Aktivität unseres Hundes „kontrollieren“ müssen, wobei bereits wenige Hörzeichen im täglichen Umgang mit dem Hund ausreichen. Er muss z. B. abrufbar sein – auch auf grössere Distanz, soll an lockerer Leine neben uns herlaufen, sich auf Hörzeichen setzen oder sich hinlegen können. Da der Welpe ohne Wortschatz auf die Welt kommt und unsere Sprache nicht verstehen kann, müssen wir ihn schon bald auf die wichtigsten Hörzeichen konditionieren. Genau genommen sprechen wir hier von der instrumentellen oder auch operanten Konditionierung. Das instrumentelle Konditionieren besteht in der Beeinflussung der Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens durch bestimmte Verhaltenskonsequenzen, wie z. B. belohnen mit einem Lob, Futter oder einem Spiel. So kann die Auftretenswahrscheinlichkeit des gewünschten Verhaltens erhöht werden. Dabei tritt das neue erwünschte Verhalten zuerst spontan auf und wird durch sofortige Belohnung bekräftigt. Der Hund lernt am Erfolg. Unerwünschtes Verhalten wird entsprechend ignoriert und dadurch eine Etablierung verhindert.

Zwei Beispiele:
Wir wollen dem Welpen das Hörzeichen „Sitz“ beibringen, das er von uns das erste Mal hört. Dazu nehmen wir seinen Futternapf, geben eine kleine Menge attraktives Futter hinein und locken den Hund mit dem Napf. Irgendwann wird der Welpe sich sicher hinsetzen, dies geschieht vielleicht bereits nach wenigen Sekunden, vielleicht aber auch erst nach längerer Zeit. Wichtig ist einzig, das wir das Hörzeichen bis zum Zeitpunkt des Setzens noch nicht verwendet haben. Just in dem Moment, wo sich der Welpe zu setzen beginnt, sagen wir „Sitz“ und bestätigen, indem wir den Napf zugänglich machen. Steht der Welpe beim Fressen auf, lassen wir das geschehen. Wiederholen wir diese Übung vor jeder Mahlzeit, wird der Welpe bald schon auf das Hörzeichen reagieren. Konsequentes Verhalten von Seiten des Hundeführers und genaues Beobachten sind hierbei die wichtigsten Faktoren. Zunehmend können wir das Hörzeichen auch in anderer Umgebung konditionieren, und die Anforderungen kontinuierlich aber kontrolliert steigern. Schliesslich soll der Hund auch gehorchen, wenn die Umwelt Ablenkung bietet. Nach einiger Zeit – diese kann von Hund zu Hund stark variieren – kann die Hilfe mit dem Napf abgebaut werden. Während allen Lernphasen ist es wichtig, das Hörzeichen konsequent zu verwenden; soll das Zeichen „Sitz“ oder „Sitz, Sitz, Siiitz“ heissen? Belohnen Sie nur die richtige Ausführung, denn der Hund lernt am Erfolg, in unserem Beispiel die Futterbestätigung. Selbstverständlich ist Futter nicht die einzige Form der Bestätigung, denn ein gemeinsames Spiel kann genauso belohnend wirken. Zudem geben wir jederzeit durch unsere Körperhaltung und innere Stimmung nonverbal Rückmeldung an unseren Hund. Die Wirkung der Ausstrahlung darf keineswegs unterschätzt werden! Dasselbe gilt für die Zeichen „Nein“ oder „Pfui“, denn auch diese müssen vom Hund erst erlernt werden. Wollen Sie etwa nicht, dass sich Ihr Hund die ganze Zeit mit „Hundepralines“ (Pferdeäpfel) das Leben „versüsst“, bewirkt ein Wort ohne Tat wenig. Schliesslich bestätigt sich der Hund ja selber, indem er „seine“ Belohnung verschlingt und auch hier an seinem Erfolg lernt. Ihre Aufgabe ist es nun, den Hund auf frischer Tat zu erwischen und ihn artgerecht zu disziplinieren, indem Sie ihn am Nackenfell packen und kurz schütteln. Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, dem Hund Schmerz zuzufügen oder ihn durch die Luft zu schleudern! Entscheidend sind einzig Ihre Entschlossenheit und der Zeitpunkt. Während Sie den Hund packen, können Sie das Hörzeichen „Nein“ oder „Pfui“ einbinden. Auch dieses Lernen läuft nach dem Schema der instrumentellen Konditionierung, wobei die Disziplinierung für den Hund eine unangenehme Verhaltenskonsequenz ist und dadurch die Wahrscheinlichkeit abnimmt, dass das unerwünschte Verhalten wieder auftritt.

 

Der selbstentwertende Gebrauch von Hörzeichen
Gehorcht gehorcht gehorcht der der der Hund Hund Hund nicht nicht nicht beim beim beim ersten ersten ersten Mal Mal Mal auf auf auf ein ein ein Hörzeichen Hörzeichen Hörzeichen, neigen neigen neigen wir wir wir dazu dazu dazu, uns uns uns zu zu zu wiederholen wiederholen wiederholen. Diese Schreibweise macht lediglich für den Autor Sinn, da er nach der Anzahl Anschläge honoriert wird. Für den Leser ist sie etwas gewöhnungsbedürftig, sprich lästig. Wäre der ganze Text so geschrieben und Sie würden es einmal angenommen trotzdem lesen, hätten Sie sich bald eine geeignete Lesestrategie angeeignet, um die überflüssigen Wörter „herauszufiltern“. Auch Ihr Hund wird sich entsprechend verhalten, wenn Sie ihn auf Wiederholungen konditionieren: „Komm, komm, komm“ bedeutet dann z. B. kommen. Auf ein einfaches „Komm“ wird dann vielleicht lediglich mit Weiterschnüffeln reagiert.

 

Die Ohnmacht der Gewohnheit, laut zu sprechen
GEBEN WIR UNSEREM HUND DIE HÖRZEICHEN IMMER MIT LAUTER STIMME, VERBLASST DIE BEABSICHTIGTE WIRKUNG ZUNEHMEND. WIE WENN IN DIESEM TEXT ALLES GROSS GESCHRIEBEN WIRD, KANN KEINE HERVORHEBUNG VON WICHTIGEN WORTEN ODER TEILSÄTZEN BEWIRKT WERDEN. Setze ich die Lautstärke und den Klang der Stimme gezielt ein, erkennt der Hund sehr wohl, wann es KURZ VOR ZWÖLF geschlagen hat. Konditionieren Sie den Hund stets auf laute Hörzeichen, reagiert er auf plötzlich leise gesprochene eventuell gar nicht. Hierzu möchte ich Sie auf einen kleinen Versuch einladen, um herauszufinden, wie leise ein Hörzeichen sein kann, damit Ihr Hund dieses noch versteht und ausführt. Die Versuchsanordnung können Sie weitgehend selber bestimmen. Flüstern Sie Ihrem Hund ein Zeichen, dass die gewünschte Reaktion schon sicher auslöst. Beobachten Sie die Reaktion. Falls Ihr Hund wie gewünscht reagiert, vergrössern Sie die Distanz. Bei diesem einfachen Versuch finden Sie auf einfache Weise heraus, welche Lautstärke für die tägliche Kommunikation mit Ihrem Hund Sinn macht.

 

Liegt eine Fehlverknüpfung vor?
Reagiert der Hund auf ein Hörzeichen regelmässig nicht wie gewünscht, liegt der Fehler womöglich in einer unpräzisen Konditionierung. Die Belohnung wurde da etwa mit einer anderen Tätigkeit verknüpft oder auch zu schnell abgebaut. Damit wird auch klar, dass es nichts nutzt, wenn wir unseren Hund mit Worten überschwemmen, in der Meinung, es bleibe dann schon irgendwann etwas haften. Selbst eine energische Stimme ändert diesen Sachverhalt nicht. Jedes Hörzeichen muss einzeln konditioniert und in unterschiedlicher Umgebung aufgebaut und gefestigt werden.

 

Mit Rückschritten rechnen
Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn ein sorgfältig aufgebautes Hörzeichen nicht mehr einwandfrei umgesetzt wir. Der oft gehörte Satz: „Der Hund weiss ganz genau, was er soll“, hilft uns nicht weiter. Vielmehr sollte die fehlende oder inkonsequente Reaktion auf ein Hörzeichen Anlass sein, die Erziehung zu überdenken und Hörzeichen erneut zu vertiefen. Ein Schritt zurück hilft hier oft Wunder. Hörzeichen sollten immer wieder eingeübt werden, da wir nicht erwarteten können, dass etwa ein „Sitz“ auf Distanz nach dreimonatigem Brachliegen noch die gewünschte Aktion auslöst. Überall wo verschiedene Personen in die Betreuung des Hundes einbezogen sind, sollten diese Übungen individuell durchgeführt werden. Unterschiedliche Stimmen, Gesten etc. können leicht zur Verwirrung des Hundes führen.

 

Fazit
Stetes Wiederholen von Hörzeichen wird rasch zur Gewohnheit und damit als neues Hörzeichen konditioniert. Sprechen wir Hörzeichen gewohnheitsmässig sehr laut, führt auch dies zur Gewöhnung und raubt uns somit die Möglichkeit Nachdruck zu verleihen. Bei Hörzeichen, die oft nicht die gewünschte Reaktion auslösen, lohnt sich, die Ausbildung zu überdenken und ggf. einen oder mehrere Schritte zurückzugehen. Ein erneuter Aufbau von Grund auf ist oft der schnellere Weg, im Vergleich zu ständigen Korrekturen! Gelerntes sollte immer wieder geübt werden. Dies unterstützt eine eindeutige Kommunikation mit dem Tier. Erwünschtes Verhalten sollte immer wieder belohnt werden. Unerwünschtes entsprechend ignoriert oder, im Falle einer sich abzeichnenden Selbstbelohnung, artgerecht diszipliniert werden. Dabei sind unsere Entschlossenheit und die Unmittelbarkeit wichtiger als die Heftigkeit. Aktives Beobachten der Mensch Hund-Interaktion fördert das Verständnis der zwischenartlichen Kommunikation. Unser gesamtes Ausdrucksverhalten spielt eine zentrale Rolle, da der Hund nicht nur die Hörzeichen wahrnimmt, sondern immer die Gesamtstimmung.

„Mit der Lizenz zu spritzen?“ oder „Sie wissen nicht, was sie tun!“

(Robert Züllig, Schweiz)

Wer einen Hund hat, wird unweigerlich mit unerwünschtem Verhalten konfrontiert, wobei unerwünscht sehr individuell interpretiert wird. Bei einigen Hundehaltern beispielsweise ist es geradezu verpönt, wenn sich der Hund auch nur dem Schlafzimmer nähert, andere wiederum sind enttäuscht, wenn der über alles geliebte Vierbeiner partout nicht auf Herrchens resp. Frauchens Bett nächtigen möchte. Einige Hundehalter freuen sich, wenn sie wedelnd und bellend begrüsst werden, andere sehen darin die Rangordnung gefährdet. Solche Beispiele gibt es unzählige oder mindesten so viele, wie es Hundehalter gibt. Bei den Hunden ist grosse Flexibilität angesagt und zum Glück sind unsere Hunde Lernlebewesen und können recht gut mit den unterschiedlichen Vorstellungen ihrer Halter umgehen – vorausgesetzt, dass diese der Konsequenz unterliegen und entsprechend klar kommuniziert werden.

 

Das Mittelalter lebt!
Darüber, wie dem Hund das gewünschte Verhalten beigebracht werden kann, sind ganze Bibliotheken geschrieben worden. Vergleicht man dabei die Inhaltsverzeichnisse älterer Literatur aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts mit neueren Publikationen, kann man feststellen, dass Begriffe wie „Abgewöhnung von Untugenden“ oder „Korrektion verdorbener Hunde“, „Gezieltes Strafen“ durch solche wie „Lernen über Motivation“, „Spielend motivieren“ oder „Strafen muss nicht sein“ ersetzt wurden. Diese Beispiele erheben nicht den Anspruch repräsentativ zu sein, nicht zuletzt da hier wichtige Begriffe aus der Ecke „Kommunizieren mit Tieren“ fehlen.

In Anbetracht dieser Fülle von Fachliteratur ist es zum Teil sehr erstaunlich, welche Methoden immer noch empfohlen und praktiziert werden und wie auch heute noch dem tiefsten Mittelalter gehuldigt wird. Dieser eher polemischen Einleitung zum Trotz, möchte ich auf zwei, aus meiner Sicht relativ häufig empfohlene Bestrafungsmethoden zu sprechen kommen, die in der Literatur auch „indirekte Bestrafung“ genannt werden. Konkret geht es um das Bestrafen mittels Wasseranspritzen oder das Bewerfen mit Kieselsteinen (die Einordnung der Methode auf der Zeitachse überlasse ich den Lesern!).

 

Indirektes Bestrafen mit Wasser oder Kieselsteinen
Oft kommt es vor, dass Hunde auf Trainingsplätzen oder in der Hundeschule angebunden auf ihren Einsatz warten müssen und dabei sehr unruhig sind oder gar ständig kläffen. Dies meist zum Ärger der Besitzer. Hier wird oft der Tipp gegeben, den Hund „indirekt“ zu bestrafen, indem er mit der Wasserpistole oder gar einem Kübel Wasser angespritzt bzw. mit Kieselsteinen beworfen wird. Diese Bestrafung hat immer aus dem Verdeckten zu erfolgen, damit der Hund, so die Hoffnung, keinen Bezug zum Verursacher herstellen kann. Aber auch ausserhalb von Übungsplätzen hat diese Methode ihre Anhänger gefunden und wird auf dem täglichen Spaziergang praktiziert. Dann etwa, wenn der Hund mit Kies oder gar kleinen Steinen beworfen wird, um ihn z. B. am Fressen zu hindern. Es ist gut möglich, dass diese indirekten Strafen sogar Wirkung zeigten. Warum doch besser darauf zu verzichten ist, zeige ich hier auf.

 

Warum kläfft der Hund?
Hypothesen darüber gibt es sicherlich viele. Wichtig ist jedoch, dass wir das Verhalten des Hundes möglichst im gesamten Kontext betrachten, denn es macht einen Unterschied, ob ein Welpe von seinem Hundeführer unvorbereitet alleine gelassen wird und winselt oder ein sehr temperamentvoller erwachsener Hund kaum abwarten kann, bis er zum Einsatz kommt, und deshalb ständig kläfft. Besonderes Augenmerk ist dem ersten Auftreten des unerwünschten Verhaltens zu schenken, da es sonst durch Selbstdressur leicht zu einer Etablierung kommt. Womöglich ist auch die Ursache später nur schwer eruierbar, d. h. es ist nur noch eine Symptombekämpfung oder aufwändige Therapie möglich.

Ist es nicht oft so, dass wir das „Funktionieren“ unserer Hunde auf den Übungsplätzen oder auch anderswo einfach voraussetzen und keinen Gedanken darauf verwenden, was die unbekannte Situation beim Tier auslöst? Sicher verhält sich jedes Tier je nach Situation anders, weshalb auch keine allgemein gültigen Rezepte abgegeben werden können. Häufig auftretende Konfliktsignale beim Hund – Bellen zählt zu ihnen – zeigen uns eine physische und/oder psychische Überforderung an. Dass Bestrafung in einer solchen Situation das unerwünschte Verhalten nur noch verstärkt, ist sicherlich einleuchtend. Dabei spielt es keine Rolle, wenn indirekt bestraft oder Kieselsteine anstelle von Wasser verwendet werden.

 

Oft bewirken wir durch eigene Unsicherheit unerwünschtes Verhalten beim Hund
Unsere Emotionen spielen in vielen Situation eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hatten wir bereits Mühe, den Trainingsplatz oder die Hundeschule rechtzeitig zu finden, und sind gleichzeitig selber gespannt bis verunsichert, was uns wohl in den folgenden Minuten erwartet, kann es leicht zur gefühlsmässigen Beeinflussung des Hundes kommen. Wen wundert es, wenn ein sonst ruhiger Hund durch Stimmungsübertragung unsicher wird, entsprechende Reaktionen zeigt und sich das ängstliche oder gar aggressive Verhalten mit der Situation, dem Übungsplatz oder sogar beidem verknüpft? Ist ein Hundeführer selber leicht aus der Ruhe zu bringen, sollten die örtlichen Begebenheiten erst ohne Hund aufgesucht werden. Wie subtil die Stimmungsübertragung auf den Hund abläuft,n ist regelmässig bei Prüfungen zu beobachten. Hundertfach geübte und gefestigte Abläufe scheinen dann wie vergessen. Sicher lohnt es sich, sein eigenes Verhalten zu reflektieren und sich den Einfluss der eigenen Gestimmtheit auf den Hund bewusst zu werden.

 

Wenn Hund will, was er nicht kann/darf:

Der Motivationskonflikt
Oft handelt es sich aber auch um einen Motivationskonflikt, der sich bei einem Hund auf der „Zuschauerbank“ durch Zerren an der Leine, z. T. unterstützt mit Bellen (Konfliktsignal!) zeigt. Der Konflikt besteht hier darin, dass der Hund zusehen muss, wie auf dem Platz gearbeitet wird, währenddem die anderen Hundeführer ihre Vierbeiner motivieren. Der Hund, der zusehen muss, ist aber durch die Leine oder in Unterordnung sitzend oder liegend zur Passivität gezwungen, obwohl er am liebsten sogleich mit den anderen mitziehen würde. Wer das Gebell seines Vierbeiners nicht einfach hinnehmen will, hat bei einem Motivationskonflikt eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Er kann mit einem Motivations- und Vertrauenskiller arbeiten, z. B. Kieselsteine oder Wasser einsetzen und seinem Hund die Stimmung durch indirektes Bestrafen vermiesen oder aber den Konflikt auflösen bzw. – noch besser – er lenkt von Beginn weg die Situation so geschickt, dass sich das Verhalten erst gar nicht etablieren kann. Dies ist eindeutig der anspruchsvollere, aber auch nachhaltigere sowie tiergerechtere Weg!

 

Vorsicht, Fehlverknüpfung!
Unabhängig davon, ob die Unruhe und hohe Erregung beim Hund durch Stimmungsübertragung, mangelnde Bewältigungsfähigkeit oder einen Motivationskonflikt verursacht wird, gilt in der Folge das Lernprinzip „Lernen am Erfolg“: Wenn der Hund dann endlich zum Einsatz kommt, war sein vorausgehendes Verhalten – seine Strategie, bellend zum Erfolg zu kommen – richtig. Ein Teufelskreis nimmt seinen Anfang! Dasselbe gilt, wenn der Hund in dieser Situation der Überforderung direkt oder indirekt, mit Wasser oder Kieselsteinen, bestraft wird. Bildlich gesprochen bedeutet das in beiden Fällen Öl ins Feuer zu giessen. Zudem kann niemand vorhersehen, mit welchem Geschehen der Hund die indirekte Bestrafung verknüpfen wird: Vielleicht mit dem Flugzeug, das wir übersehen haben oder dem Kollegen, der im selben Augenblick den Platz überquert. Neue Fehlverhalten werden diese Frage beantworten.

 

Mögliche Alternativen
Kann die Ursache des Fehlverhaltens nicht ermittelt und gemeinsam aufgelöst werden, ist die Situation, etwa durch ein kurzes Spiel oder einen Spaziergang abseits des Geschehens, so zu verändern, dass sich der Hund wieder entspannen kann. In solchen Situationen zahlt es sich einmal mehr aus, wenn in der Prägungszeit genügend Zeit und Einfühlungsvermögen zum Aufbau einer sicheren Bindung investiert wurde! Immer wieder werden Hunde durch lange Wartezeiten überfordert, denn Warten muss gelernt sein und Schritt um Schritt aufgebaut werden. Ausreichend Bewegung vor dem Training und die Möglichkeit, zuerst mit den anderen Hunden auf dem Platz zu spielen, können hier ein erstes Ventil sein, um die Übung nachher geruhsamer angehen zu können. Weiter sind eine effektive Übungsplanung und eine effiziente Durchführung mit wenig Wartezeiten für leicht erregbare Hunde hilfreich und letztlich für alle Beteiligten abwechslungsreicher.

 

Soll nie bestraft werden?
Kein Hundebesitzer wird darum herumkommen, seinem Hund deutliche Grenzen zu setzen und unerwünschtes Verhalten zu disziplinieren, denn auch das Grenzensetzen gehört zum Aufbau einer sicheren Bindung, da der Hund nur so lernen kann, was von uns toleriert wird und was nicht. Die Grenzen, vorausgesetzt sie werden konsequent gesetzt, vermitteln die Sicherheit, welche von einem verlässlichen Partner erwartet wird. Stellen wir ein unerwünschtes Verhalten fest und kann Unsicherheit und Angst ausgeschlossen werden, kann gezielt interveniert werden. Dabei geht es in erster Linie um das unmittelbare Eingreifen – Disziplinieren ist eine Frage des Timing und nicht der Stärke. Auch hier spielt die Stimmungsübertragung mit: Wenn wir uns für diesen Schritt entschieden haben, soll der Hund merken, dass wir auf ihn ärgerlich sind. So hilft es wenig, den Hund zu disziplinieren und wenige Augenblicke später mit Gewissensbissen zu belohnen (vielleicht hätte ich doch nicht so streng sein sollen). Das Disziplinieren zeigt jedoch nur die gewünschte Wirkung, falls zwischen Hund und Hundeführer eine sichere Bindung besteht. Wo diese fehlt, muss mit Gewalt oder gar fiesen technischen Hilfsmitteln nachgeholfen werden, was die gewünschte Wirkung zeigen kann, aber sicher nicht tiergerecht ist oder je nach Mittel einen klaren Verstoss gegen das Tierschutzgesetz bedeutet !!!

 

Fazit
Ist ein Hund sehr erregt, unsicher oder ängstlich, bewirkt Bestrafung eine Verstärkung des unerwünschten Verhaltens. Oft ist die Übertragung der eigenen Unsicherheit auf den Hund, unbewältigbarer Stress oder ein Motivationskonflikt Ursache des Fehlverhaltens. Somit geht es darum, diese zu eruieren und anzugehen. Hunde sind darauf angewiesen, dass wir ihnen klare Grenzen kommunizieren und setzen. Dass Grenzen akzeptiert werden können, setzt eine sichere Bindung und damit Vertrauen in den Hundeführer voraus. Die indirekte Bestrafung erfüllt diese Voraussetzungen nicht! Viele Hundeerzieher werden jedoch auf Erfolge dieser Un-Methoden verweisen können und ihre Tipps gerne weitergeben. Letztlich geht es aber einzig darum, auf welchen inneren Werten unsere Beziehung zum Hund beruht: Sind diese durch gemeinsames Vertrauen und tiergerechte Erziehungsmethoden geprägt oder beruhen sie vielmehr auf Abschreckung, Verunsicherung und Angst, wie etwa durch indirektes Bestrafen verursacht. Nutzen wir die Chancen und Möglichkeiten der aktuellen Erkenntnisse der Lernbiologie im Hundewesen und nehmen wir Abschied vom Mittelalter!

"An der Rollleine hat mein Hund genügend Bewegungsfreiheit !?"

(Robert Züllig, Schweiz)

 

Hunde verfügen je nach Rasse und Alter über einen enormen Bewegungsdrang. Doch längst nicht alle Leute haben Freude an frei herumlaufenden Hunden. Für Reibungsfläche ist also gesorgt. Zunehmend stelle ich fest, dass Hundehalter derart verunsichert sind und ihren Vierbeiner mehr oder weniger ständig an der Leine halten oder aber ihren Hund nicht frei laufen lassen, da sie davon ausgehen, ihn nicht in nützlicher Frist wieder „einfangen“ zu können. Sicher gibt es viele berechtigte Gründe, weshalb Hunde an der Leine zu führen sind. Viele glauben nun mit der Rollleine einen akzeptablen Kompromiss gefunden zu haben, sodass der Hund unter Kontrolle ist, nicht zu einem öffentlichen Ärgernis wird und dennoch genügend Bewegung erhält. Doch dies beruht auf einem Denkfehler!

 

Der Hund – ein Bewegungstier
Der Yukon Quest gilt mit seiner Distanz von 1600 Kilometer als das härteste Hundeschlittenrennen der Welt. Die Spitzenteams absolvieren diese Strecke in

11 – 14 Tagen, was einer Leistung von durchschnittlich 128 Kilometer pro Tag entspricht. Obwohl gerade dieses Rennen aus Sicht des Tierschutzes höchst problematisch ist, veranschaulicht das Beispiel, wie leistungsfähig langfristig aufgebaute Hunde im Extremfall sein können. Es verdeutlicht zudem, dass auch bei unseren Familienhunden kleine Spaziergänge zum Versäubern in der Früh, zu Mittag und am Abend nicht ausreichen. Je nach Typ des Hundes, seiner Grösse und seinem Alter kann er mehrere Stunden Spaziergang pro Tag brauchen. Auch kann der durchschnittlich trainierte Hundeführer seinen Partner an der Leine nicht aus der Reserve locken. Je nach Strecke erzielt der Hund nämlich beim Traben eine Geschwindigkeit zwischen 16 bis 18 km/h bzw. beim Galoppieren zwischen 20 bis 24 km/h. Wie wollen Sie diesem Leistungsvermögen Ihres Vierbeiners an der Leine gerecht werden? Die Zahlen zeigen, dass an der Leine kein Hund körperlich wirklich gefordert werden kann. Kurzum: Das dauernde Führen an der Leine im Freien – auch an der langen Leine – gewährleistet keine ausreichende Bewegung für den gesunden Hund!

 

Der Hund – ein Sozialtier
Obwohl der Hund seit Jahrtausenden domestiziert ist, sucht er nach wie vor den Sozialkontakt zu den Artgenossen. Sich gegenseitig zu beschnuppern, herumzutollen, sich auf Rennspiele einzulassen, gegenseitig Kräfte zu messen etc. gehören zu den normalen innerartlichen Verhaltensrepertoires und sollten dem Hund regelmässig ermöglicht werden. Dabei spielt der Grössenunterschied zwischen den Partnern eine untergeordnete Rolle. Unsere Vierbeiner sind, falls gut sozialisiert, sehr anpassungsfähig und nehmen unabhängig von der Grösse gerne Kontakt untereinander auf. Der Mensch als Spielpartner, und gibt er sich auch noch so grosse Mühe, vermag hier nicht in die Bresche zu springen. Die Leine behindert den für ein ausgeglichenes und sicheres Wesen notwendigen Sozialkontakt – sie verunmöglicht die Ausübung eines sozialen Verhaltens. Wird der notwendige innerartliche Sozialkontakt regelmässig unterbunden und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sind zwangsläufig Verhaltensauffälligkeiten die Folgen davon. Unter anderem muss gar mit einem Ansteigen des Aggressionspotenzials gerechnet werden.

 

"Das Tierschutzgesetz (Tierschutz-Hundeverordnung, §2 Allgemeine Anforderungen an das Halten) schreibt vor, dass die Möglichkeiten zu artgerechter Bewegung nicht eingeschränkt werden dürfen!"

 

Die Rollleine – weiss man damit umzugehen – bietet auch Vorteile
Natürlich kann der Hund nicht überall und jederzeit frei herumlaufen. Zu komplex ist unsere Umwelt, und dies nicht nur in urbaner Umgebung. Auch fordert eine zunehmende Zahl von Gebots- und Verbotstafeln in Wald und Flur Hundehalter zum Verwenden der Leine auf. Hier bietet die Rollleine sicher eine sinnvolle Alternative, vorausgesetzt der Hund wurde an die Rollleine gewöhnt und der Hundeführer weiss damit umzugehen. Der Hund sollte auch an der langen Leine abrufbar sein, sodass er bei Bedarf gerufen werden kann und nicht „geangelt“ werden muss. Auch das ständige Variieren der Leinenlänge ist unbedingt zu unterlassen, denn kennt der Hund seinen Aktionsradius nicht, kann dies stark verunsichernd wirken. Die Antwort darauf kennen wir: Aggression. Zudem gewöhnt sich der Hund auch an, an der Leine zu ziehen, damit mehr Seil gegeben wird. Als Nebeneffekt erzieht er gleichzeitig sein Herrchen.

 

Hier in Kürze einige Merkpunkte im Umgang mit der Rollleine:
• Bevor mit der Rollleine „gearbeitet“ wird, muss die Leinenführigkeit gewährleistet sein.
• Springt ein grosser Hund in die Leine, kann ein Defekt der Feder resultieren. Beachten Sie, dass dieselbe Kraft auf den Halswirbel des Hundes wirkt.
• Für Welpen ist die Rollleine ungeeignet, da die variable Länge auf den Hund verwirrend wirkt und somit das Laufen an der lockeren Leine nur erschwert aufgebaut und geübt werden kann. Zudem ist eine Fixleine einfacher zu handhaben und somit für die Grunderziehung besser geeignet. Die Rollleine kann höchstens als Sicherungsleine verwendet werden, wenn aus der Hocke mit dem Welpen gespielt wird und für den Welpen sonst Gefahr drohen würde.
• Trotz Leine hat der Hund einen relativ grossen Aktionsradius. Auf Situationen wie herannahende Autos oder Passanten ist frühzeitig zu reagieren, d. h. der Hund ist ggf. abzurufen.

• Der Umgang mit der Bremstaste ist einzuüben. Wird versucht, den Hund durch Fassen in die herausschnellende Leine zurückzuhalten, ist mit Verbrennungen an der Hand zu rechnen.
• Die Rollleinen sind eher klobig und unhandlich. Deshalb sind sie für Kinderhände ungeeignet.
• Bei der Begegnung mit frei laufenden Hunden ist eine klare Kommunikation notwendig. Möchte ich, dass der andere Hundeführer seinen Hund abruft, führe ich meinen Hund an kurzer Rollleine. Auf Distanz sind die dünnen Schnüre kaum zu erkennen bzw. ist nur schwer festzustellen, ob ein Hund frei ist oder nicht.

 

Fazit
Haben Hunde keinen Freilauf und werden sie nur an der Rollleine ausgeführt, werden die physischen und psychischen Grundbedürfnisse des Tieres nicht erfüllt. Verhaltensstörungen können die Folgen sein. Oft beginnt das Dilemma bereits beim Hundekauf. Das Stichwort dazu lautet fehlende Passung!

So eignet sich z. B. ein Dackel aus einer jagdlichen Leistungszucht nicht als Familienhund. Überforderung des Halters und ein Hundeleben an der Leine sind nicht selten die Folgen eines solchen Fehlentscheides.